Samstag, 24. Januar 2009
 
"ÖVP und SPÖ sind Chamäleons" PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Ralf Leonhard   
Dienstag, 26. September 2006

Der grüne Sicherheitssprecher will in der künftigen Regierung gerne Verteidigungsminister werden und die traditionelle Armee abschaffen. Im Grunde interessiere die Sicherheitspolitik weder ÖVP, noch SPÖ, meint er. Sollte es zu einer Schwarz-Grünen Koalition kommen, hält er eine ökologische Energiewende für möglich. Auch in der Bildungs-, Menschenrechts- und Außenpolitik hält er eine Wende für möglich.
Interview mit Peter Pilz, Sicherheitssprecher der Grünen
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Angeblich träumt Peter Pilz bereits vom Innenministerium.

Nein. Ich möchte Verteidigungsminister werden. Die europäische Sicherheitspolitik braucht dringend einen grünen Verteidigungsminister.

Also hat Bürgermeister Häupl recht, dass Schwarz-Grün bereits ausgemachte Sache ist.

Ausgemacht ist, dass wir, wenn wir die Wahl klar gewinnen, mit einer der beiden Noch-Großparteien über eine Regierung verhandeln wollen. Das kann auch die SPÖ treffen.

Warum sollten die Großparteien so ein wichtiges Ressort wie die Verteidigung dem Juniorpartner überlassen?

Den Roten ist die Sicherheitspolitik völlig egal und die Schwarzen interessiert in erster Linie der Kuchen und die Verteilung desselben: Finanzministerium, Wirtschaftsministerium. Die Zukunftsministerien sind ihnen relativ egal. Weder die ÖVP noch die SPÖ hängen an Unterricht, Bildung Kunst, Forschung, Technologie, und, interessanter Weise, auch nicht an Sicherheit. Und jetzt gibt es die Möglichkeit, in Europa zu zeigen, dass ein kleiner Staat, der niemanden militärisch bedroht, zeigt, was möglich ist: das traditionelle Heer beendet und was Neues macht, einen europäischen Beitrag zum Aufbau von internationalem Rechtsstaat und internationaler Demokratie. Das wird ein radikaler Umbau des Militärs, an dessen Ende es das traditionelle Militär nicht mehr geben wird.

Die Grünen haben sich in ihrer Gegnerschaft zum Ankauf der Eurofighter ebenso einbetoniert, wie die ÖVP diese Beschaffung verteidigt. Wie kann man da raus?

Das ist ein Problem der ÖVP. Wenn sie wider alle sicherheitspolitische und wirtschaftliche Vernunft an dieser Milliardenverschwendung festhalten will, wird sie Gründe haben, die ein Untersuchungsausschuß ans Licht bringen wird. Es wird nach den Wahlen im Nationalrat keine Mehrheit mehr für die Eurofighter geben. Und die Führer der ÖVP werden noch in diesem Jahr unter Wahrheitspflicht aussagen müssen.

Es heißt ja, dass keine große Sportveranstaltung ohne Luftraumüberwachung stattfinden kann.

Wenn das stimmt, dass die Champions League eines der wichtigsten Sicherheitsprobleme ist, dann soll das ein Politiker erklären. Das ist doch alles Quatsch. Das zeigt, dass den Befürwortern des traditionellen Militärs die Argumente ausgegangen sind.

Es kann sein, dass Euch in einer Woche Wolfgang Schüssel zu Regierungsverhandlungen einlädt. Wo kann es Übereinstimmung geben, wenn man sich an 2002 zurückerinnert?

Die ÖVP hat uns vor vier Jahren eingeladen und wir haben ernsthaft verhandelt, uns in ein paar wesentlichen Bereichen einigen können und in anderen wesentlichen Bereichen ist die Einigung misslungen. Wir haben dann die Verhandlungen abgebrochen und konnten das sachlich gut begründen. Wenn das wieder passiert, werden wir wieder aufstehen und wieder gehen.

Wo ist denn die inhaltliche Annäherung wahrscheinlich?

Ich halte es für möglich, dass die ÖVP den Einstieg in eine ökologische Steuerreform akzeptiert. Ich halte es für möglich, dass die Anti-AKW-Politik verschärft wird. Es gibt große Bereiche, die der ÖVP aber auch der SPÖ relativ egal sind: von Grundrechten und Menschenrechten bis zur Kultur. Da sind sie bereit zu sagen, wenn Ihr das ganz anders machen wollt: „von mir aus.“ Und es gibt Bereiche, wo es mit ganz schwierig wird, das ist mit der ÖVP alles, was mit der Verteilung von Arbeit, Einkommen und Lebenschancen zu tun hat. Ich halte die handelnden Personen beider Parteien für extrem anpassungsfähig und opportunistisch. Der Unterschied liegt weniger in großen Inhalten und Positionen, sondern die ÖVP ist im Guten und im Schlechten eine höchst professionelle Partei und die SPÖ im Guten und im Schlechten eine amateurhafte Partei. Beide sind Chamäleons und bereit, nach Wahlausgang neuen Farben anzunehmen. Wir haben es mit Leuten und Parteien zu tun, für die Politik in erster Linie ein Geschäft ist.

Der Juniorpartner bekommt in der Regel das Außenministerium. Wie würde eine grüne Außenpolitik aussehen?

Sie würde sich als europäische Außenpolitik definieren mit dem Schlüsselziel, die wirtschaftliche. Globalisierung durch eine Globalisierung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie zu begleiten: Vom Balkan bis zum Irak. Im Zentrum steht etwa die Einwanderungsfrage aus Teilen des westlichen Afrika. Wie kann eine europäische Agrarpolitik verhindern, dass eine europäische Außen- und Sicherheitspolitik in der Falle der Verwüstung der westafrikanischen Agrarmärkte durch die Exportpolitik der EU steckt. Das sind die neuen Kernthemen der Außenpolitik. Das wäre eine Abwendung von der österreichischen. Gemütlichkeit einer Nachbarschaftsdiplomatie, diesem Mitteleuropabarock, der 15 Jahre gepflegt worden ist, zu einer europäischen Außenpolitik, die sich mit Kernfragen der europäischen Zukunft beschäftigt. Da steht ganz oben: regionale Kriege und Konflikte, Einwanderung aus Afrika und ökologische Verwüstung der Dritten Welt.

Wenn die EU-Subventionspolitik für Rindfleischexporte abgestellt wird, hört aber nicht am nächsten Tag der Flüchtlingsstrom auf.

Er hört nicht auf, aber wenn das reiche Europa dem armen Afrika keine Angebote machen kann, wird das arme Afrika weiterhin sein Glück in Europa suchen. Das ändert sich nicht von einem Tag auf den anderen. Aber man muß damit beginnen. Europa wird in Afrika massiv investieren müssen, damit es nicht in einen Eisernen Vorhang rund um Afrikainvestieren muß.

Welche Regierung werden wir demnächst wirklich haben?

Schwarz-Rot. Es deutet sehr viel auf eine große Koalition hin. Der erste Grund lautet: Es gibt kein Kanzlerduell. Alfred Gusenbauer führt den Kampf um den Vizekanzler. Wenn er es nicht schnell ins Regeierungsboot schafft, verliert er den Parteivorsitz. Vor die Alternative gestellt, ob er untergeht oder in das schwarze Rettungsboot steigt, wird er blitzschnell hineinklettern. Sollte sich Rot-Grün mit der SPÖ als zweiter Kraft ausgehen, dann werden wir drüber verhandeln, ob die SPÖ bereit ist, eine grüne Wende mitzumachen und dafür den Kanzler zu bekommen. Das wird sich aber von den Zahlen her schwer ausgehen.

Interview: Ralf Leonhard

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